Montag, 12. Februar 2018
Wishmaster
Der Knecht meines Knechts ist nicht mein Knecht: der Todesfürchtige, der, für mich arbeitend, den Naturstoff beherrscht, sorgt für mein Überleben; ohne ihn bin ich seinem Knecht, der Natur, ausgeliefert. Wer bin ich? Ja, der im Kampf auf Leben und Tod Siegreiche, zum Herrn des Besiegten Gewordene, bin ich, so Hegel will, natürlich auch. Aber im wesentlichen Verhältnis, das sich nicht zwischen empirischen Personen, sondern zwischen reinen Potenzen entfaltet, bin ich der Logos. Mein Knecht ist der Mythos und schützt mich vor dem Zauber.
In meinem Reich des Lichts der Vernunft gilt das Prinzip von Begriff, Urteil und Schluss; ich gebiete durch meine logischen Naturgesetze über das Universum, bereite die Bühne des Geistes, auf der sich die Weltgeschichte, der Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit, vollzieht. Den Mythos habe ich besiegt, als ich ihm durch meine Logik den Spiegel vorhielt, in dem er sich als sich selbst widersprechend sah, wodurch er seine Macht verlor. Ich habe ihn bezwungen, jedoch nicht vernichtet, und euch Menschen immer davor gewarnt, den Mythos aus eurer Welt zu verbannen, sobald ihr die geistige Stufe des Logos erreicht. Habt ihr auf mich gehört?
Eine interessante Antwort auf diese Frage ist im Monolog der Expertin für die Kraft, die vor dem Mythos die Menschheit regierte, im Film "Wishmaster" (1997) zu finden. In Freddy´s New Nightmare" (1994) muss der böse Geist von einer Geschichte, einem Mythos gefangen genommen werden, damit er seine Macht über die Natur, aber nicht nur, verliert. Bis zu seiner Rettung durch den Mythos besteht der Schutz des kleinen Jungen in Rex, seinem Spielzeug-Tyrannosaurus, einem Talisman. Der Talisman schützt den Menschen vor dem Zauber, ist er aber zerstört, so gibt es keinen Schutz mehr. Der Zauber kann durch einen Talisman nur aufgehalten, aber nicht besiegt werden, weshalb letzten Endes nur ein Mythos, der den Zauber auffängt, den Menschen retten kann. Die seit Ripley stärkste Frau in einem Film, die kluge Alexandra, wünscht sich vom Wishmaster, dass der Arbeiter, der für den Unfall verantwortlich war, der zur Befreiung des Djinns führte, vor drei Tagen während seiner Arbeit nicht trinkt, und diese Geschichte - in zweierlei Bedeutung, als Erzählung wie als Historie - verschluckt den bösen Geist.
Seit Hegel wird die Welt des Geistes von der Totalität des Logos regiert. Seine Vorgänger, der Mythos und der Zauber, sind nicht im dialektischen Sinne aufgehoben - negiert und aufbewahrt zugleich - , sondern schlichtweg aus der Welt verbannt. Die Wunder Jesu werden entweder als von der Geistesgeschichte überholte Märchen aufgefasst, oder aber man sucht nach logischen Erklärungen für sie: selbstverständlich konnte Jesus auf dem Wasser laufen, er war bloß etwas schneller als Usain Bolt. Natürlich sind Mythen nicht logisch, und Wunder naturgesetzlich unmöglich, aber deshalb sind sie nicht absolut zu negieren, sondern nur im engen Bereich des Logos, der vorerst höchsten Schicht des menschlichen und menschheitlichen Geistes.
Was geschieht, wenn ein logisch denkender Mensch, ein homo faber, an einer Zwangsneurose erkrankt? Er wird von magischen Wesen verfolgt, und muss seltsame Rituale vollziehen, um diese zu vertreiben. Die Rituale sind, wie Talismane, nur augenblicklicher Schutz, und müssen immer aufs Neue wiederholt werden, werden immer komplizierter, je weiter die Krankheit fortschreitet, machen irgendwann ein normales Leben unmöglich, und führen unselten in die geschlossene Psychiatrie. Der Logos vermag nichts gegen den Zauber, wie der König das Land nicht bestellen kann. Ohne den Bauer wird der König verhungern, und ohne den Mythos wird der rationale Mensch einen Suizid begehen, wenn er die Tugend, die ihn einst zum König machte, die Gleichgültigkeit gegenüber dem Tod, weiterhin beherzigt. Es wird kein Suizid aus Verzweiflung sein, sondern ein rationaler Schritt, ein Rückzug in den Tod vor einem übermächtigen, unbesiegbaren Feind. Gibt er sich vom Zauber geschlagen, entsteht ein Mythos seiner Versklavung, der nur durch einen Befreiungsmythos überwunden werden kann.