Ich
erinnere mich noch an die abscheulichen "Raubkopierer sind
Verbrecher"-Werbefilmchen im Kino, im Ton der Unterstellung gemacht,
eine Zuschauerbeleidigung. Heute sehe ich darin vor allem die
Hilflosigkeit des Staates, die durch technologisch ermöglichte Freiräume
des Verbrechens entsteht. Durch zu schnellen Fortschritt entstehen
technologisch bedingt unregulierbare Räume, in denen das Recht des
technologisch Stärkeren gilt und nicht etwa das staatliche
Gewaltmonopol.
Im Jahr meiner Immigration nach Deutschland, 1996, war für mich im Alter
von 13 Jahren Sexualität noch Theorie, ich verspürte keinerlei
sexuelles Verlangen, kannte aber bereits die Bedeutung der Sexualität
für Kultur und Gesellschaft und ließ der Phantasie freien Lauf: warum
nicht einen Film drehen, in dem humanoide Vergewaltigungsroboter bzw.
Vergewaltigerzombies auf Frauenjagd gehen, oder wie wäre es mit
Foltersalons, in denen nach Lust und Laune gefoltert wird, wobei die
Lustobjekte genetisch optimierte Klone sind. Die Motivation des bösen
Genies des Erfinders wäre zynischer Nihilismus des kindlich-dämonischen
"Guck mal, was ich kann!" Diese Phantasien entsprangen nicht dem
Sadismus, sondern der Vermutung, dass die Wissenschaft längst so weit
fortgeschritten sei, solche Perversitäten zu ermöglichen. Und der Staat
wäre entweder hilflos in aufholender Position gegenüber
Technologiekonzernen oder dadurch korrupt, dass seine Diener auch nur
Menschen sind, und von den Dehumanisierungsunternehmen ihre
allzumenschlichen Wünsche und Begierden erfüllt bekommen. Den
rechtsfreien Raum dafür nannte ich Holdoora.
Die conditio humana ist
ursprünglicher als Kultur und Gesellschaft: Erfindungen wie die Pille
spielen eine größere Rolle in der Bonoboisierung der sexuellen Kultur
als etwa eine Lockerung der Sitten durch kulturelle Dekadenz. Pädophilie
z. B. ist, trotz moralischer Widerwärtigkeit, pragmatisch betrachtet,
bloß ein teurer Luxus, den sich heute Superreiche und mächtige Politiker
straflos leisten können; was passiert aber, wenn Kinderklone für den
Sexmarkt zu bezahlbaren Preisen hergestellt werden können? Korrupte
Politiker können willkürlich entscheiden, was ein schützenswerter Mensch
und was ein humanoider Sexroboter ohne Rechte ist, ohne Rücksicht auf
tatsächliche Eigenschaften der Klone. Heute schon schützen wir Hunde und
betrachten Schweine als ausschlachtbare Ressource, deren Lebendigkeit
nicht etwa Mitleid, sondern peinliche Verlegenheit auslöst, und deren
den Hunden ebenbürtiger Entwicklungsgrad uns nicht weiter stört.
Entfesselter technologischer Fortschritt bedeutet nicht die Herrschaft
der KI und die Versklavung der Menschen durch Maschinen. Auch dies
könnte passieren, doch zunächst und am dringendsten sind die
Konsequenzen zu bedenken, die sich aus den Dehumanisierungsmöglichkeiten
ergeben: Technologie als Vehikel der Entmenschlichung. Die Erfindung
der Schrift war ein Beispiel für egalitäre, inklusive Technologie: jeder
kann schreiben lernen und bekommt damit den Zugang zum Reich des
Wissens. Die elitären Technologien, die zwischen ihren Besitzern und
Nichtbesitzern ein unüberwindbares Machtgefälle schaffen, sind die
eigentliche Gefahr im Zeitalter des Transhumanismus.