Dienstag, 27. November 2018
Die Mädchen
Ich weiß nicht, was ein Korb ist. Ich habe es nie versucht. Doch, einmal, da wurde ich gerade 17, und die Zeit vergeht quälend langsam in dem Alter. Ich war katholischer Konvertit, in den Glaubensinhalten gemäßigt, im Glauben daran radikal. Aber es geschah einfach nichts, Gott gab mir kein Zeichen. Also provozierte ich eigenhändig eine Situation, in der die göttliche Vorsehung Farbe bekennen musste. Ich schrieb einem Mädchen, in welches ich seit einigen Tagen ein wenig verknallt war, einen Liebesbrief. Es ging gar nicht um das Mädchen, - es ging darum, was jetzt geschehen würde. Ich schrieb einem durchaus hübschen Mädchen. Ich erwartete nichts weniger, als ein Wunder. Ich wollte, dass Gott sich endlich zeigt, denn ein Gott, der sich so verhält, als existierte er nicht, existiert vielleicht gar nicht.
Ablehnung kenne ich aus anderen Zusammenhängen: der ist nicht so wie wir, der ist anders, der ist seltsam, der ist nicht einer von uns. Ablehnung kenne ich als soziale Ausgrenzung, nicht als zwischenmenschliche Erfahrung. Wenn es mit den Mädchen ernst war, wenn ich nicht ein wenig, sondern ganz schön bis sehr verknallt war, dann wusste ich einfach nicht, was ich tun sollte, schaute zwar sehnsüchtig vom Weiten die Mädchen an, aber hatte sie nie angesprochen. So kam ich nie in Versuchung, meine Ansprüche zu senken, oder gar mich von der Vorstellung des Idealmädchens zu verabschieden. Ich träumte immer weiter meinen Traum, und lebte mein Leben. Vielleicht hätte ich es auch andersrum versuchen sollen.
Die Mädchen sind schon das Wichtigste, weil das Schönste und Bezauberndste, was diese Welt zu bieten hat, - darum habe ich gleich zu Anfang das Unbedeutende übersprungen. Mit den Mädchen ist aber das Höchste in der Sphäre des Empirischen erschöpft. Ob mich der Nachbarshund, jene alte Nervensäge oder dieser Esel da ablehnt, geht mir am Arsch vorbei. Soziale Ablehnung wird vom Rechtsstaat, in dem ich lebe, durch die zivile Ordnung abgefedert. Freundschaften kann man schließen, also beenden, wenn dem Freund oder der Freundin meine Nase nicht mehr gefällt. Auch an die Familie ist man in der Postmoderne nicht mehr so gebunden, dass man Ablehnung etwa durch enttäuschte Eltern oder neidische Geschwister und Cousins täglich ertragen müsste.
Über den Mädchen steht nur noch Gott, das Ganze, das Absolute. Ich fühle mich in dieser Welt deplatziert. Werde ich vom Universum abgelehnt? Gefalle ich Gott nicht? Wenn er mich mag, warum hat er mich in diese jämmerliche und jammervolle Welt werfen lassen, anstatt mich gleich im Paradies auszusetzen? Warum passiert mir nicht das, was ich mir wünsche, oder was ich will? Wieso bin ich nicht allmächtig? Weil ich ein endliches Wesen bin. Ich selbst bin in meinem inneren Wesen die Ablehnung, denn das Ich ist zuallererst die Negation all dessen, was es selbst nicht ist. Das Ich unterscheidet automatisch eine äußere Welt von sich selbst, und erlebt dadurch eine Ablehnung, die es selbst verursacht. Die Welt hat sich gegen mich nicht verschworen - sie leistet mir nur natürlichen Widerstand, weil sie erstens wirklich und zweitens endlich ist, genau wie ich.