Mittwoch, 11. Juli 2018

Der göttliche Luxus





Die Religion der Nützlichkeit traf mit voller Wucht auf den humorlosesten Monotheismus, woraus die Religion der Freiheit resultierte, so die Hegelsche Evolutionstheorie der Religion. Das göttliche Nichts auf der einen Seite, der nichtige Mensch auf der anderen Seite, und Nichts mal Nichts ergibt Nichtnichts. Doch der Reihe nach.

Ich opfere der Göttin der Fruchtbarkeit, damit ich kein Viagra brauche. Ich besteche den Donnergott, damit es auf meinen Acker regnet. Der Götterhimmel ist eine launische Maschine, nichts Höheres im moralischen Sinne, keine absolute Wahrheit, und von durchaus begrenzter Macht. An Götter zu glauben, um rein diesseitigen Nutzen zu erheischen, ist zynischer Nihilismus. Wo Nützlichkeit haust, ist die Heiligkeit aus dem Tempel gewichen, und Kaufleute sind eingezogen.

Ich bin ein Nichts vor Gott, seine Macht ist absolut, und ich habe nur zu gehorchen und zu fürchten, aber keine Rechte und keine Würde. Gott ist ein launischer Alleinherrscher des Universums, und alles, was ich bin und habe, ist von seiner Gnaden. Die Kluft zwischen mir und diesem Gott ist unüberbrückbar, er wird mir auf ewig fremd bleiben, eine äußere absolute Macht, die mich beschenkt und beraubt, zwingt und quält, nach Belieben leben oder sterben lässt.

Nun kommt jemand daher, der so vermessen ist, zu behaupten, er selbst sei Gott, der einzige, den es gibt, und er glaubt auch noch selbst daran. Ein glücklicher Narr! Wohl dem, der keine Himmelsmaschine mehr braucht, und all seinen Aberglauben stattdessen in seine eigene Person setzt. Der größte Verbrecher von allen! Wie wagt er es, sich der eine und einzige Gott zu nennen? Ja, das ist vermessen. Niemand wird glückselig, außer durch ihn. Nichts sollst du ihm opfern, er selbst ist das Opfer: seine Vermessenheit erklärt er zur höchsten Wohltat überhaupt. Er tritt von der größtmöglichen Beleidigung aller Menschen auch nach Folter und Kreuzigung nicht zurück.

Das wahrhaft Göttliche ist ein Luxus. Frage nicht, was Gott für dich tun kann, frage dich, was du tun kannst, um der Glückseligkeit würdig zu sein, um vor seinem Angesicht zu bestehen. Das wahrhaft Menschliche ist vermessen: es tritt all den Nihilismus der Nützlichkeit mit Füßen und will über alles Endliche hinaus greifen, um mit sich selbst eins zu werden. Alles Glück, worum du Gott bittest, ist nichtig. Das Glück, das Gott selbst ist, ist unendlich. Die Evolution ist Nutzenoptimierung und erschafft, was sofort unterginge, wenn es nur ein Quantum schlechter wäre.  Das Bewusstsein des Absoluten kann nicht evolvieren, es trifft dich spontan, wie ein Blitz. Religion ist kein nützlicher Bestandteil des menschlichen Lebens: sie ist Luxus, sie ist Verschwendung, sie ist der Endzweck.