Sonntag, 22. Oktober 2017

Leib und Seele





Der Körper ist das, was bei einem Tritt von Hinten in die Beine umfällt, sein Dasein ist sinnlich so evident, wie das Rot der Karte. Die Seele wiegt 21000000 Mikrogramm, ist sehr feinstofflich, und unsichtbar, nein? Dann nicht. Von mir aus ist sie überhaupt nicht stofflich, muss aber irgendwie in den Leib kommen. Descartes, der alte Mathematiker, vermutete das Loch, durch welches die Seele in den Leib kommt, in der Zwiebeldrüse im Hirn. Wenn nun diese Zwiebeldrüse selbst stofflich ist, dann muss wiederum eine Zwischendrüse zwischen der Zwiebeldrüse und dem rein Geistigen hin, damit sich die ausgedehnte Materie mit der denkenden verbinden kann. Wenn die Zwischendrüse zwischen der Zwiebeldrüse und dem Reich der Geister stofflich ist, muss eine weitere Zwischendrüse her, und so weiter ins Unendliche. Die Verbindung zwischen Körper und Geist kann nicht körperlich sein, - ist sie vielleicht geistig? Wenn ja, dann nicht wie viele, sondern wie wirkt sich etwas rein Geistiges ohne stoffliche Verbindung auf Körperliches aus? Gar nicht, das heißt, entweder sind Leib und Seele als Einheit, monistisch zu denken, oder man denkt sich das denkbar Undenkbarste herbei.

Der Leib ist evident: wir sehen ständig - oft unerfreulicherweise - Leiber anderer Leute. Auch der eigene Leib ist evident, wenn er jeden Tag neuen Hunger hat, sich an derselben Eckkante stößt, und an derselben Muskelfaser reißt. Die Seele ist eine Hypothese - von Außen gesehen. Von Innen gesehen, gibt es nichts Evidenteres, als die Seele, das Ich, die Perspektive der ersten Person: wir können nicht anders als ichhaft, als Seelen, existieren.

Welche Sicht ist die Wahrere? Alle Erkenntnisse über unsere Welt - und viele davon haben sich als so richtig erwiesen, dass wir die Welt nach unseren Bedürfnissen derart umgestaltet haben, dass wir an die Stelle der natürlichen die degenerative Auslese setzten - kommen von der Außenperspektive. Alles Interesse daran, überhaupt etwas erkennen zu wollen, kommt von Innen.

Äußerlich gesehen, braucht alles, was da ist, eine erste Ursache. Gott muss ein Schweizer gewesen sein: das Universum läuft präzise wie eine Uhr, und ist ein löchriger Käse. Evident ist aber nur, was tatsächlich da ist. Was mal war, ist Dichtung. Hören wir jedoch auf, uns die Welt als unter Naturgesetzen (und der Kausalität) stehend zu denken, ist jeder Unsinn möglich, warum dann auch nicht die absurdeste Schöpfungsgeschichte. Als rationale Naturalisten müssen wir uns die Welt als ausnahmslos unter Naturgesetzen stehend denken, und kommen so zwangsläufig zu Fragen, die an die Grenzen des theoretischen Erkennens stoßen.

Innerlich gesehen, ist die Unsterblichkeit der Seele evident. Wir können nicht anders handeln, als unter der Idee der Willensfreiheit (wenn sie auch stets nur implizit allen Entscheidungen zugrunde liegt), obwohl wir uns sehr wohl vorstellen können, dass alle außer uns selbst unfrei handeln, und der Mensch an sich keinen freien Willen hat. Wir können unser Leben nicht anders leben, als wären wir unsterblich (weil wir Personen sind: wir haben nicht nur ein Bewusstsein, sondern auch ein Selbstbewusstsein, sprich denken uns bei jeder unserer Erfahrungen selbst mit), obgleich wir durchaus in der Lage sind, theoretisch anzunehmen, dass der Tod des Körpers auch das Ende der Seele bedeutet.

Die beiden Perspektiven, Innen und Außen, sind nicht aufeinander reduzierbar: weder der Materialismus noch der subjektive Idealismus erfassen die ganze Wirklichkeit. Es kann natürlich nur eine Wirklichkeit geben, aber diese Einheit ist schonmal mehr als eine Zweiheit. 1 größer 2 gleich 3? Das ist Mystik, und das ist Vernunft. Wem die Vernunft zu hoch hängt, für den wird sie in der offenbarten Religion bildlich vorgestellt.