Mittwoch, 5. November 2025

Ararshratt Odnakorowdzhan (1876-1912)

 


Wuchs in Lapratka auf, dem zerstörtesten Teil des gerade zu Ende untergehenden Sinpustan. Kam 1892 nach Arenkord, und brachte dunkle Mystik mit. „Ich habe Angst um Gott, wie um ein Kind, das ich nicht beschützen kann“, schrieb er mit 20.  


Er strebte nach einer ontologischen Transzendentalversicherung, hielt „das Gerede vom Urvertrauen“ für infantil und sprach sich für den radikalen Kampf um die Bewahrung der Welt aus: „Ich bange um jeden Stein, um jeden Baum, und wenn ich einen Vogel sehe, bekomme ich einen Anfall von Ehrfurcht“. Was er von Eichhörnchen, Katzen und noch höheren Wesen hielt, konnte er nicht einmal in Worte fassen: „Dazu kann ich nur demütig schweigen“, schrieb er kurz vor seinem Tod. 


Er sah unsere negentopische Welt als ein Reich absoluter Selbstzwecke an, und litt am Horror der Entweihung. Er warnte vor dem Untergang der Welt im absoluten Nihilismus, hielt den tierischen Sexualtrieb für eine ernsthafte Gefahr, die wir nicht unterschätzen sollten, und die uns psychisch wie ein Wahn befallen könnte. Das wäre das Ende der Liebe und damit das Ende der Welt.




Hiite Ingret, 1839-1912 (Tagebuchauszüge):

25.8.1912. Vor fünf Tagen starb der Mystiker im Feenwald von Lileihi unter seinem Baum des Vertrauens. Halb so alt wie ich, doppelt so weise. Gott ist noch kindlicher als ein Kind, noch unschuldiger, und, nicht aber, allmächtiger als jeder abstrakte Allmachtbegriff. Das, nicht eine Radikalisierung von Gravelaines existenziellem Pessimismus, wird in seinem letzten Buch stehen. „Reinheit braucht keine ontologische Versicherung, sie ist allein sicher“, waren seine letzten Worte an mich in Finstern vor zwei Wochen.

26.8.1912. Auch meine Zeit, in den Feenwald zu gehen, scheint anzubrechen. Einer der letzten frühen Morgen, das ist zu erahnen. Ich bin fast 73, und es ist keine Gier, dass ich noch leben will, es ist die Treue zum Sein, das Gespür der ontologischen Harmonie. Dieses Leben ist einfach meine Tasse Tee, wie es Kjelde lakonisch gesagt hätte, der trotz Pessimismus am Leben hing. In der Welt, in der ich gelebt habe, bedeutet Realismus etwas Besseres als selbst Optimismus; Kjelde sprach von möglichen Welten, in denen der Realist den Pessimisten noch für einen Optimisten gehalten hätte.

27.8.1912. Sie nennen es jetzt schon den „Schwarzen Montag“, HFX auf 39961 Punkte runter, und ich weiß nicht, und mir ist auch egal, wieviel ich verloren habe. Ich gehe mit gutem Gefühl auf meine letzte Reise, und wollte eigentlich im Krieg fallen oder beim Bergsteigen abstürzen. Ich hatte wohl zu viele Vorurteile, was den Alterstod angeht. Ich fühle mich wie kurz vor einer Neugeburt.