Dienstag, 27. Oktober 2020

Die Krise unserer Zeit

 

 

 

Seit der neoliberalen Revolution von 1979 häufen sich Pogrome gegen die Mittelschicht: in den 80-ern Lateinamerika, in den 90-ern der Ostblock und das weiße Südafrika, in den 00-ern Nordamerika und Westeuropa. Politik als Mittel der Reichen und Superreichen, den alten Abstand zwischen den Klassen wiederherzustellen, damit aus Wohlstandsunterschiedenen weiterhin Machtunterschiede werden.

Die systematische Zerstörung der Mittelschicht scheint in der Corona-Pandemie weltweit ihre Vollendung gefunden zu haben, der wirtschaftliche Ruin des demokratischen Kerns der Völker scheint gewollt. Die Eliten wollen prekär lebende und politisch unmündige Massen. Deshalb wurde natürlich das Coronavirus in die Welt gesetzt!

Was haben wir Glück, dass es nicht die Pest ist! Mit naturwissenschaftlichem Analphabetismus und verschwörungstheoretischer Überrationalisierung zufälliger oder systemintern notwendiger Vorgänge hätten wir längst unser Grab geschaufelt, zumindest die Gräber von 2 bis 4 Milliarden Erdbewohnern. Nein, das Coronavirus ist keine Erfindung irdendwelcher Verschwörer, und ja, natürlich nutzen die Mächtigen opportunistisch jede Möglichkeit, ihre Macht zu verteidigen und zu konsolidieren.

Der Kapitalismus hat eine systeminterne Logik, die keine Politik machende und in wirtschaftlicher Sicherheit lebende Mittelschicht zulässt. Es muss ständiger Lohndruck bestehen, zu gut lebende Millionen bedeuten die Abkehr der Gesellschaft vom Diktat des Geldes und damit eine Herausforderung des kapitalistischen Systems. Wirtschaftskrisen, inszeniert oder tatsächlich systembedingt entstanden und von den Mächtigsten ausgenutzt, sind so alt wie das kapitalistische System.

Die derzeitige Krise kann von Staat und Gesellschaft zusammen gegen die Wirtschaft gelöst werden, anstatt wie üblich von Staat und Wirtschaft gegen die Gesellschaft (oder beim Zerfall der UdSSR von Wirtschaft gegen Staat und Gesellschaft). Dafür muss der Staat das Primat der Politik erklären und scheinbare wirtschaftliche Notwendigkeiten durch freie demokratische Entscheidungen ersetzen. Wo der Staat sich vom Diktat der Finanzmacht befreit, gibt es eine friedliche Zukunft, wo der Staat zu schwach ist, folgt der Bürgerkrieg.

Die globale Wirtschaft muss zusammenbrechen, ansonsten droht der Weltbürgerkrieg. Es sind keine Lösungen der Krise auf Kosten der Gesellschaft mehr möglich, der neoliberale Möglichkeitsraum ist ausgereizt. Die globale Ungleichheit, auch länderintern, hat ein Ausmaß erreicht, bei dem der Großteil der Bevölkerung nichts mehr zu verlieren hat. Die Staaten haben nun die Entscheidung, ob sie die Wirtschaft oder die Gesellschaft retten wollen. Die Rettung der Wirtschaft führt zwangsläufig zu Krieg zwischen den Staaten, die Rettung der Gesellschaft zur multipolaren Welt anstatt der Neuen Weltordnung und zu Autarkie und Protektionismus.