Freitag, 3. April 2020
Ontologie und Epistemologie
Du bist eines Verbrechens angeklagt und hast kein Alibi und 1000 Motive. Nur du allein weißt, dass du in Wahrheit unschuldig bist, da du das Verbrechen nicht begangen hast. Weil deine Unschuld unbeweisbar ist, ist sie deswegen auch unwahr? Oder du hast das perfekte Verbrechen begangen, und dir ist die Schuld unmöglich nachzuweisen. Dennoch kennst du die Wahrheit.
Ein Gottesbeweis ist unmöglich, aber was sagt das über das Sein Gottes aus? Es gibt eine Kluft zwischen Ontologie und Erkenntnistheorie, die bei der Reduktion des Logos auf die Logik, der Wahrheit auf die Beweisbarkeit, scheinbar geschlossen wird. Doch die Wahrhaftigkeit erfordert es, genauer hinzuschauen: der Schluss von Logischem auf Ontologisches ist erschlichen.
Ein Beweis des Nihilismus, der objektiven Sinnlosigkeit des Lebens, resultierend aus dem Nichts nach dem Tod, ist ebenso unmöglich. Doch wenn nach dem Tod tatsächlich nichts mehr ist, ist das Leben in Wahrheit sinnlos. Wir können nur hoffen, dass es nicht stimmt, aber wir können es nicht beweisen.
Die Trennung von Ontologie und Epistemologie lässt weder Theisten noch Nihilisten triumphieren. Es könnte beides wahr sein: dass Gott und Unsterblichkeit der Seele ontologische Wahrheiten sind, oder aber, dass es in Wahrheit weder Gott noch die Seele gibt.
Der Verstand, das Vermögen der Logik, ist epistemologisch beschränkt. Die Vernunft, die es mit Ideen (Logos) und nicht mit Begriffen (Logik) zu tun hat, kann ihre Gegenstände nicht logisch beweisen. Die Fähigkeit, die Idee des Guten zu verstehen, ist kein Beweis der Wahrheit dieser Idee. Ontologische Gegenstände entziehen sich der epistemologischen Überprüfung.
Kann man etwas wissen, das man nicht beweisen kann? Man kann wissen, ob man eines Verbrechens schuldig ist, ohne seine Schuld oder Unschuld anderen beweisen zu können. Dieses unmittelbare Wissen gibt es aber nur, wenn man selbst der Urheber der gewussten Wahrheit ist. Es ist wahr, dass du X nicht ermordet hast, obwohl du kein Alibi und 1000 Motive hattest. Kannst du aber mit Sicherheit wissen, ob Y der Mörder von X ist?
Da die Vernunft ihre Ideen nicht selbst hervorbringt, kann sie ihre ontologische Wahrheit nicht wissen. Obzwar die Vernunft denken kann, dass die Seele unsterblich ist, und das Sein Gottes aus moralischen Gründen postulieren muss, ist kein ontologisches Wissen darüber möglich. Die Mystik behauptet, zu unmittelbarem Wissen der Vernunftideen gelangen zu können, doch sobald sie auf ihre Methoden verweist, sinkt sie von der Ontologie zur Epistemologie herab: auch nicht-diskursives Erkennen ist nur eine Erkenntnismethode und genauso fehlbar wie die logisch-begriffliche Verstandeserkenntnis.