Sonntag, 7. Oktober 2018

Die Abtreibung unter den Umständen der conditio humana





Es ist ein beliebtes Hobby vieler unterdurchschnittlich intelligenter Zeitgenossen, gegen das Recht der Frauen auf Abtreibung zu protestieren. Sie wollen angeblich menschliches Leben schützen und schrecken gar vor religiösem Terror nicht zurück. Wie problematisch die religiöse Basis des Schutzes von Embryonen ist, zeigt das Dilemma einer vergewaltigten Frau, deren Würde aufs Schwerste verletzt worden ist, die aber zur Mörderin wird, wenn sie die Frucht der Vergewaltigung abtreibt. Wenn Gott die menschliche Sexualität so eingerichtet hat wie wir sie vorfinden - warum hat er nicht dafür gesorgt, dass aus Vergewaltigung kein Leben entstehen kann? Warum kann jeder mit jedem jederzeit ein Kind zeugen? Warum müssen wir in der Regel verhüten, weil wir Angst vor ungewollten Befruchtungen haben? Gott hätte es gewiss so arrangieren können, dass ausschliesslich verheiratete Paare mit im ergreifenden Gebet artikuliertem Kinderwunsch die Ehre hätten, neues Leben zeugen zu können.

Nun hat sich Jupiter anders entschieden und die menschliche Sexualität von der Sexualität der Hunde und Ratten überhaupt nicht differenziert. Bei Mensch und Hyäne wird nach den gleichen Regeln gepoppt und der biologische Vorgang der Befruchtung verläuft identisch. Damit gilt es klarzumachen, dass menschliches Leben als biologisches Phänomen keine höhere Würde für sich beanspruchen kann als das Leben einer Feldmaus. Wenn unsere Nutztiere erkranken, schlachten wir sie ab. Wenn kranke Menschen abgeschlachtet werden, sprechen wir von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Offenbar gibt es doch einen Unterschied- aber worin besteht er? Er besteht allein in der Tatsache, dass Menschen Personen sind, und nur Personen kennen so etwas wie Würde. Das biologische Leben kommt prächtig ohne Würde aus, Vergewaltigungen bei Katzen sind an der Tagesordnung, aber keine Katze hat je einen Kater deswegen angezeigt. Das biologische Leben folgt seinen eigenen Regeln, welche für das Leben der Personen, die wir Menschen vermutlich als einzige Tierart auf Erden sind, nicht mehr gelten. Die Gemeinschaft der Personen unterliegt Gesetzen, die im Tierreich keine Bedeutung haben, da der Code dieser Gemeinschaft dem Tierreich unzugänglich ist. Nur Personen kennen Liebestragödien und Fragen der Ehre, nur unter Personen macht es Sinn, bei einer Tötung von Mord zu sprechen, eine ungerechte Tötung mit diesem bösen Wort markierend. In der Natur gibt es weder Recht noch Unrecht, weder gut noch böse, dies ist einzig und allein unser menschlicher Code, der die Regeln der Biologie ausser Kraft setzten kann, soweit wir als bewusst handelnde Wesen unsere biologische Natur kontrollieren können.

Die Würde des Menschen ist die Würde der Person, die der Mensch ist. Ab wann ist es sinnvoll, von einer Person zu sprechen? Ist ein Embryo eine Person? Ist ein vier Monate alter Fötus eine Person? Ist ein Neugeborenes eine Person? Ich fürchte, die Antworten auf diese drei Fragen lauten jeweils nein, nein und nein. Wir tun so, als ob Neugeborene schon Personen wären, um keine Gesetzeslücke entstehen zu lassen. Wenn wir Säuglinge betrachten, gilt für uns, dass sie Menschen wie wir sind, also mit einem Recht auf Leben und unantastbarer Würde. Gilt aber unser Code für sie? Behandeln uns Kleinkinder so wie eine Person eine andere Person nach unserem Code zu behandeln hat? Nein, aber sie lernen es, und zwar indem wir es ihnen beibringen.

Von Allein tut sich nichts, Wolfskinder sind keine Personen und die Geheimnisse unseres Codes mit den seltsamen Konstruktionen wie Norm und Sittlichkeit, wie Scham und Schuldgefühl, werden sich ihnen niemals offenbaren.

Wollen wir nun allem Leben die Würde zusprechen, die für uns als Personen gilt? Wie steht denn das Leben zu diesem Vorschlag? Würde es sich an unsere moralischen Werte halten, würde es unseren Code annehmen? Nein. Wir können gern Tiere schützen, aber es wäre ratsam, nicht zu vergessen, dass es Tiere sind. Man kann seinen Hund gern haben, aber die Frage nach Recht und Unrecht würde den Hund überfordern. Das biologische Leben kann nicht in die Gemeinschaft der Personen aufgenommen werden, weil es ihre Gesetze nicht erfüllt. Und wir überschreiten unsere Kompetenzen, wenn wir Tieren Würde zusprechen, welche für sie keine Bedeutung hat.

Еntwicklungsbiologisch gesehen fällt die Bilanz der Nachforschungen darüber, ab wann ein Mensch eine Person ist und etwas davon hat, dass seine Würde angeblich unantastbar ist, fällt ernüchternd aus. Wir müssen uns nicht nur von der romantischen Anbetung von Föten verabschieden, sondern zugeben, dass einige der Wesen, die wir mit Selbstverständlichkeit als Personen betrachten, gar keine sind. Die Geburt ist eine künstliche Trennlinie, die von unserer Zivilisation als der Beginn des Menschseins postuliert wird. Mann kann diese Trennlinie aber in beide Richtungen unterwandern- wem das Leben an sich heilig ist, und ich halte ausdrücklich fest, dass es sich um ein Phänomen handelt, welches im biologischen Sinn als Leben angesehen wird - denn jede andere Definition von Leben als diese wäre reine Spekulation, ausser wenn man den Rahmen erweitern oder verengen, also entweder die Viren als Lebewesen oder die Insekten als Bioroboter definieren würde – der sollte nicht erst den Fötus als schützenswert betrachten, sondern schon bei den Eizellen und den Spermien anfangen, was zur Folge hätte, dass Verhütung und Masturbation nicht anders als Verbrechen bezeichnet werden dürften; wer aber erst die Person als des Schutzes würdig erachtet, kann sich einen Dreck um Babyleichen der Mütter wider Willen scheren – wenn er es denn kann, denn wir können von unserer instinktiven Veranlagung her nicht anders, als unmündige dumm schreiende Säuglinge als uns im Menschsein, womit auch im Personsein, ebenbürtig zu betrachten.

Zurück zu den denkfaulen Antiabtreibungsaktivisten. Diese bedauernswerten Menschen haben ein so geringes Selbstvertrauen, dass sie auf ihrer Suche nach einem Feind den denkbar schwächsten Feind wählen, nämlich meist sehr junge Frauen in Notsituationen. Was für eine Heldentat, eine siebzehnjährige Vergewaltigte als Mörderin zu bezeichnen, weil sie die Frucht der Schandtat abreiben lassen will. Abtreiben lassen - also Vorsicht, noch mehr Feinde lauern, nämlich Ärzte, die den Frauen in Notlage helfen, diese halbwegs so zu meistern, dass sie weiter leben können.

Der Bauch der Frau gehört derselben Frau, keinem Gott, keinem Mann und keiner religiös-fundamentalistischen Bande von charakterlich kleinen Feiglingen, die mit ihrem eigenen Leben nicht klarkommen und noch schwächere Menschen zu mobben suchen, um sich gross vorzukommen.