Freitag, 4. Mai 2018
Negative Theologie
Gott, der Allmächtige, der Allwissende, der Herr der Heerscharen und der Herrscher der Herrschaften, - so das allgemein angebetete Bild. "Gott ist der Größte", heißt ein bekannter Ausspruch einer monotheistischen Religion. Nein, Michael Jackson ist der Größte - der Größte zu sein, ist für ein Wesen wie Gott ein Wenig zu wenig. So sagt Nicolaus Cusanus: "Daher ist die negative Gotteslehre eine so nothwendige Ergänzung der positiven, daß ohne sie Gott nicht als unendlicher Gott, sondern vielmehr als Geschöpf verehrt würde. Diese Letztere ist Götzendienst, der dem Abbilde erweist, was nur der Wahrheit gebührt".
Gott ist ein Mann ohne Eigenschaften, ja nicht einmal ein Mann. Wer Gott bei seinen Eigenschaften nimmt, um ihn aufgrund ihrer anzubeten, betet die Eigenschaften an, und nicht Gott. Eine solche Frömmigkeit ist eine Unterwerfung aus Feigheit - man würde sich jedem unterwerfen, sofern er nur der Größte (genauer: der Größtbekannte) wäre.
Cusanus entwickelt eine negative Theologie indem wer weiß, "dass Gott unaussprechlich ist, weil er größer ist, als Alles, was genannt werden kann". Freilich ist er nicht der erste Theologe, der darauf gekommen ist, - viele Kirchenväter waren sich dessen bewusst. Hier geht es nicht darum, die Geschichte der negativen Theologie zu rekonstruieren, sondern um die Tatsache, dass es kein Jenseits des Nihilismus geben kann, bevor der Nihilismus (besser: sein Prinzip, das Nichts) in seiner tiefsten Dunkelheit ergründet wurde. "Nach dieser negativen Gotteslehre ist daher Gott weder Vater, noch Sohn, noch heiliger Geist, sondern nur unendlich", Cusanus nicht faul. So weit, so negativ.
Ein Christentum, das in der sinnlichen Anschauung des Kreuzes hängen bleibt, kann Gott nicht erfassen. Es betet einen Götzen an. Das Kreuz ist lediglich ein Symbol, und nicht mehr als das sind auch all die positiven Aussagen über das Wesen Gottes. Gott ist nicht gut, allmächtig oder allwissend, er ist darüber hinaus. Im Wesen Gottes sind Einzelheit und Allheit eins und dasselbe: als einfach nur "der Größte" begriffen, bleibt er nur Einzelner, und somit nicht Gott.