Sonntag, 28. Januar 2018

Ist Glückseligkeit möglich?





Was ist Glückseligkeit? Der größte Glückseligkeitsexperte der Weltgeschichte, Immanuel Kant, schrieb in seiner Kritik der reinen Vernunft: "Glückseligkeit ist die Befriedigung aller unserer Neigungen, (so wohl extensive, der Mannigfaltigkeit derselben, als intensive, dem Grade, und auch protensive, der Dauer nach)". Ist die Befriedigung aller Neigungen, Erfüllung aller Wünsche und Träume auf dieser Welt möglich? Natürlich nicht. Die Befriedigung einiger Neigungen, die Erfüllung weniger Träume ist möglich, aber um wunschlos glücklich zu werden, gibt es nur einen Weg, den buddhistischen Weg der Verleugnung aller Begierden. Wird man so glücklich? Natürlich nicht. Jedenfalls nicht dem Begriff der Glückseligkeit nach Kant entsprechend. Der Buddhist verhält sich wie ein Bräutigam, der die perfekte Braut sucht, sie - weil es sie nicht gibt - nicht findet, und fortan behauptet, das Zölibat sei die perfekte Braut.

Wann ist man wirklich glücklich, also glückselig? "Glückseligkeit ist der Zustand eines vernünftigen Wesens in der Welt, dem es, im Ganzen seiner Existenz, alles nach Wunsch und Willen geht...", lautet Kants Bestimmung der Glückseligkeit in der Kritik der praktischen Vernunft. Wem geht schon im Ganzen seiner Existenz (!) alles nach Wunsch und Willen? Natürlich niemandem. Glückseligkeit ist auf dieser Welt nicht möglich. Sie kann kein Gegenstand der Erfahrung sein, sondern nur ein Gegenstand der Hoffnung. Wer sich der Glückseligkeit würdig verhält, darf darauf hoffen, ihrer in einer anderen Welt teilhaftig zu werden, - eine Garantie gibt es jedoch nicht.

Nun gibt es Leute, die darauf pochen, das höchste denkbare Glück im Diesseits gefunden zu haben, und jene, die am Begriff der Glückseligkeit festhalten, idealistische Träumer nennen. Nun ist es nicht das höchste denkbare Glück, wenn ein noch höheres Glück denkbar ist, und das ist es im Endlichen grundsätzlich immer. Das tatsächlich höchste denkbare Glück, die Glückseligkeit, ist, wie aus der Begriffsanalyse folgt, auf dieser Welt nicht möglich. Verglichen mit diesem Glück verblasst selbstverständlicherweise jedes irdische Glück. Warum also nicht von der wahren Glückseligkeit träumen, wenn man gute (moralisch qualifizierte) Gründe hat, sie für sich zu erhoffen? Was ist falsch am Idealismus, der die Vollkommenheit in der Erfüllung der moralisch-sittlichen Pflicht um ihrer Selbst willen (selbstredend vom Idealisten selbst) fordert, und folglich nicht anders kann, als auch das Glück als ein vollkommenes zu erhoffen?

Der Hedonismus der spätkapitalistischen bürgerlichen Gesellschaft ist eine faschistoide materialistische Ideologie. Er leugnet und bekämpft jedes nicht kaufbare, nicht machbare, nicht aus eigener Kraft erreichbare Glück. Er vereinnahmt jedes noch mögliche nichtmaterielle Glück, und pervertiert es zu Kitsch und Imitation, - so dass es tatsächlich (wenige) Leute gibt, die sich (manchmal) glücklich fühlen (was sie jedoch nicht sind). Du bist das, was dein Status in diesem System über dich aussagt. Jeder muss die glückliche Fassade erhalten, jeder muss anderen zeigen, wie gut es ihm geht, um nicht als gescheitert, als Versager zu gelten. Das Glück wird nicht mehr erlebt oder erhofft, sondern simuliert. Der Mensch, in diesem System ein Arbeitsroboter, wird zum Konsumroboter und schließlich zum Glücksroboter. Das Wichtigste, sein Status als moralisches Subjekt, geht verloren, und somit auch seine Würde. Hoffnung gibt es nur noch als unverbindliche Träumerei. - Wer in diesem falschen Bewusstsein sozialisiert wird, und dessen Intellekt nie über das Alltagsbewusstsein hinaus gelangt, hält sich, wenn es ihm den Umständen entsprechend gut geht, ja sogar besser als manchen anderen (auf diesen Vergleich kommt es in seiner eng beschränkten Sicht letztlich an), für glücklich. Weil dies aber keine private Meining ist, sondern das Produkt einer totalitären Ideologie, muss dem entschieden widersprochen werden.

Montag, 22. Januar 2018

Furcht und praktische Vernunft





In der Kritik der praktischen Vernunft zeigt Kant, dass der Wille frei ist, und vermeintliche Sachzwänge oder mit einem durchgehende Pferde keine Ausreden sein können: "Setzet, daß jemand von seiner wollüstigen Neigung vorgibt, sie sei, wenn ihm der beliebte Gegenstand und die Gelegenheit dazu vorkämen, für ihn ganz unwiderstehlich: ob, wenn ein Galgen vor dem Hause, da er diese Gelegenheit trifft, aufgerichtet wäre, um ihn sogleich nach genossener Wollust daran zu knüpfen, er alsdenn nicht seine Neigung bezwingen würde. Man darf nicht lange raten, was er antworten würde".

Die Todesdrohung widerlegt also die Unwiderstehlichkeit offener Haare und kurzer Röcke. Niemand ist ein Vergewaltiger, der nicht aus freiem Willen ein Vergewaltiger sein will. Damit ist die Herrschaft der Triebe und Neigungen über den Menschen widerlegt. Doch Kant genügt das noch nicht - er geht noch weiter, und zeigt, dass die praktische Vernunft dagegen sehr wohl zwingend ist: "Fragt ihn aber, ob, wenn sein Fürst ihm, unter Androhung derselben unverzögerten Todesstrafe, zumutete, ein falsches Zeugnis wider einen ehrlichen Mann, den er gerne unter scheinbaren Vorwänden verderben möchte, abzulegen, ob er da, so groß auch seine Liebe zum Leben sein mag, sie wohl zu überwinden für möglich halte. Ob er es tun würde, oder nicht, wird er vielleicht sich nicht getrauen zu versichern; daß es ihm aber möglich sei, muß er ohne Bedenken einräumen. Er urteilet also, daß er etwas kann, darum, weil er sich bewußt ist, daß er es soll, und erkennt in sich die Freiheit, die ihm sonst ohne das moralische Gesetz unbekannt geblieben wäre".

Wir sind nicht gezwungen, zu tun, was unsere Triebe verlangen, aber wir sind innerlich verpflichtet, zu tun, was das moralische Gesetz uns befiehlt. Wer ungeachtet der Todesdrohung im Galgenbeispiel Unzucht treibt, wird hingerichtet, und das weiß er. Dennoch kann er sich für seine Wollust entscheiden, denn sein Wille ist frei. Wer ungeachtet der moralischen Verpflichtung eine Falschaussage macht, wird vom Gewissen gequält, und auch das kommt mitnichten überraschend. Der freie Wille bedeutet auch freie Willkür: man kann, was man soll, aber man muss nicht.

Woher kommt aber dieses Faktum der Vernunft, dass man immer weiß, was man tun soll, und auch noch weiß, dass man es tun kann, - dass es einem möglich ist, und keine Zauberkräfte erfordert? Kant beiseite, lassen wir Religion walten, vergessen wir die Vernunft. Wurden wir nicht alle so erzogen, dass wir eine immanente Todesdrohung empfinden, wenn wir nicht tun, was wir tun sollen? Ist die innere Verpflichtung durch das moralische Gesetz nicht bloß eine tiefe Furcht vor der Verdammnis? Ich weiß nicht, ich wurde atheistisch erzogen. Und seltsamerweise besteht ein notwendiger Zusammenhang zwischen ausgerechnet dem hochabstrakten moralischen Gesetz und der äußerst konkreten Furcht, in die Hölle zu kommen. Das kann kein Zufall sein. Zeitlich früher mag die Höllenfurcht gewesen sein, logisch früher ist das Faktum der Vernunft, dass man immer frei ist, zu tun, was man soll, und dass man nicht leugnen kann, dies zu wissen.

Mittwoch, 10. Januar 2018

Die logische Dreifaltigkeit





Der Begriff ist die höchste Realität: wenn der Begriff des Menschen ist, vernunftbegabtes Sinnenwesen zu sein, so kann sich der Mensch weder der Qual des Denkens - für Denken und Depression verwendet das Hirn dieselben Botenstoffe - noch der Versuchung der Sinnlichkeit entziehen. Es gibt, was niemand bestreitet, Menschen, die z.B. ohne Großhirn auf die Welt kommen, aber es gibt ebenso quadratische Kreise, - in beiden Fällen widerspricht das Sein seinem Begriff und negiert somit sich selbst.

Das Urteil ist ein Fest der Eitelkeit: ich kann sagen, dass alle Menschen Idioten sind, ich kann aber auch sagen, dass bloß manche Menschen Idioten sind, dass Ich ein Mensch oder kein Idiot bin usw. Das Ich tobt sich im Urteil aus, ihm sind keine Grenzen gesetzt, außer das Urteil widerspricht dem Begriff. Das Urteil ist von Begriffs Gnaden, es ist allmächtig, kann aber nur den Willen des Begriffs tun. Ein Urteil darf jedem anderen Urteil widersprechen wie es ihm lustig ist: sagt ein Ich, der Mensch stamme vom Affen ab, kann ein anderes Ich entgegnen, der Affe stamme vom Menschen ab, und solange keiner behauptet, der Affe sei kein Affe oder der Mensch kein Mensch, ist die künstlerische Entfaltungsfreiheit des geltungsbedürftigen Ego im Urteil unbegrenzt.

Der Schluss kann, wie das Urteil, richtig oder falsch sein, der Begriff aber kann sein oder nicht sein. Dem Urteil macht es nichts aus, falsch zu sein, solange der Begriff nicht ad absurdum geführt wird. An der Richtigkeit des Schlusses hängt hingegen der Logos, mit ihr steht und fällt die Welt, sie sorgt dafür, dass Denken möglich ist und die Naturgesetze funktionieren. Die Schwerkraft wirkt, dass Körper einander anziehen. Die Sonne zieht die Erde an. Die Erde bewegt sich, sie bleibt nicht liegen und fliegt nicht in beliebige Richtung von der Sonne weg. Die Urteile hätten auch lauten können: Die Schamkraft wirkt, dass die Sechs im Heft den Schulranzen schwerer macht. Der Schüler hat eine Sechs bekommen. Der Schluss muss lauten: Der Schüler geht langsamer nach Hause, als sonst. Sonst Tohuwabohu im biblischen Sinne.

Den Begriff kann man nicht verfälschen, verleumden, leugnen, wegreden, - er steht wie das Sein, das er konstituiert. Das Urteil verzeiht alles, denn sie wissen nicht, was sie quatschen. Wer aber den Schluss zum Lügen missbraucht, dem wird nicht verziehen. "Darum sage ich euch: Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben; aber die Lästerung gegen den Geist wird nicht vergeben. Und wer etwas redet gegen den Menschensohn, dem wird es vergeben; aber wer etwas redet gegen den Heiligen Geist, dem wird's nicht vergeben, weder in dieser noch in jener Welt" (Matthäus 12,31-32, Luther 1984).

Samstag, 6. Januar 2018

Die Wissenschaft der Mystik





Am Anfang war das Sein. Reines Sein, kein Sein von einem Seienden. Nichts war seiend, denn es gab nur das reine Sein, nichts Seiendes. Deshalb war Nichts seiend. Dieses Nichts war kein nichts von einem Seienden, sondern reines Nichts, also das Nichts des Seins überhaupt, das Nichts des reinen Seins.  Es gab keine Dualität von reinem Sein und seinem Nichts, beides war dasselbe: das Sein war als reines Sein, kein Sein von einem Seienden, vom Nichts nicht unterschieden, und ebenso war das Nichts nichts als reines Sein, denn es konnte nicht nichtsein, da ja nichts war, was sein oder nicht sein konnte. Als dasselbe und zugleich unterschieden vereinigten sich das Nichts und das Sein und schlossen sich zugleich gegenseitig voneinander aus, und es wurde Werden.

Diese Version der Weltentstehung ist mystisch und spekulativ und müsste vielleich irgendwo in den Veden zu finden sein, aber sie findet sich - nicht auszuschließen, dass in den Veden Ähnliches über die Weltentstehung gesagt worden ist - in Hegels Wissenschaft der Logik, in diesem philosophischen Lehrbuch ontologischer Logik. Hegel war nun kein Mystiker, er war vielleicht der letzte Wissenschaftler der Philosophie (nicht zu verwechseln mit Wissenschaftlern, die sich aus Langeweile und von jeweils einem Teilgebiet der Wissenschaft ausgehend zur Philosophie berufen fühlen - Physiker, Kosmologen, Biologen, Informatiker oder Neurowissenschaftler). Hegels ontologische Logik sollte konkrete Erkenntnisse über die Beschaffenheit der Welt im Allgemeinen zutage fördern, indem sie den Geist den Geist untersuchen ließ, das Selbstbewusstsein also unter die Lupe nahm.

Für weniger geistreiche Geister besteht in Hegels Logik kein Unterschied zur Mystik: es kann ja keine Wissenschaft geben, die nicht die - sagen wir es mit Descartes - Vorstellung von res extensa auf Unvorstellbarkeiten untersucht, sondern sich mit res cogitans beschäftigt, einer Einrichting, die denkt, und also ist, und worin sich ihre Selbsterkenntnis auch erschöpfen muss. Geister mit mehr Phantasie und genügend Urteilskraft sehen hingegen in der ontologischen Logik die - vielleicht abgesehen von der Mathematik, der Wissenschaft äußerer Möglichkeiten von Mannigfaltigem - strikteste aller möglichen Wissenschaften, und gehen aus dieser Position an die Tatsache der Nähe der Wissenschaft der Logik zum Wissen der Mystik heran.

Was muss die Logik sein, wenn sie sich, sobald ihr Leben eingehaucht wird, oben mit der Mystik trifft? Was muss die Mystik sein, wenn sie auf ihrem Weg der Methodenfreiheit am Ende mit der strengsten aller möglichen Wissenschaften zusammentrifft? Beides muss Leere sein. Die Seligkeit der armen im Geiste bedeutet für Meister Eckhart keine Banalität, sondern die Freiheit des Geistes von allen Sorgen, Begierden und Vorurteilen, von allen Gottesbildern, Wünschen und Hoffnungen, von allen Methoden, Statistiken und Logiken, von allen Erfahrungen und allem Wissen. Solch ein Geist ist arm, und er hat nur mit sich selbst zu tun - mit dem Selbstbewusstsein. Die Reflexion des Selbstbewusstseins ist die höchste Stufe der wissenschaftlichen Philosophie. Ein armer Geist hat nichts Seiendes vor sich, nichts Kreatürliches, nur reines Sein und Nichts, nur Gott.

Der Unterschied zwischen der Wissenschaft und der Mystik besteht darin, dass der Wissenschaftler mit dem Habitus des "bestallten Richters, der die Zeugen nötigt auf die Fragen zu antworten, die er ihnen vorlegt" (Kant, Vorrede zur zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft) an seinen Gegenstand herantritt, der Mystiker aber eine Theorie (θεωρία) in der ursprünglichen Bedeutung aufstellt, eine Schau und Einsicht des Göttlichen, des Wahren, Schönen, Guten und Absoluten. Wenn sich schon Teilchen wie das Photon durch den sich als bestallter Richter aufführenden Beobachter gestört fühlen, muss sich der reine unendliche Geist gänzlich der Nötigung widersetzen, weshalb Hegels Wissenschaft der Logik bzw. Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften mitnichten die Gedanken Gottes vor der Schöpfung sein können; sie geben nicht mehr von Gott preis, als Einsteins berühmte Formel - nämlich nichts, bzw. das reine Sein Gottes.

Dienstag, 2. Januar 2018

Absolute Transzendenz




Dass ich nur für etwas verantwortlich sein kann, was in meiner Macht liegt, und zu den Möglichkeiten meiner Freiheit gehört, ist die Grundlage aller Moral, und infolgedessen auch das Fundament jedes zivilisierten Rechts. Was mir nicht zugerechnet werden kann, ist nicht meine Tat. So ist das Geborenwerden - logisch, nicht psychologisch - ein Leiden, da ich nichts dafür kann, dass mich andere Menschen in die Welt gesetzt haben. So ist ein Mörder im Affekt nicht schuldfähig, da er zu einem Maß der Erregung - nicht selten teuflisch-raffinierterweise - gebracht wurde, das die Macht der Selbstkontrolle durch die Vernunft übersteigt. Es hat der Körper und die Psyche des Mörders im Affekt getötet, aber nicht seine Person.

Kaum haben wir uns mit den schönen Beispielen versichert, dass die logisch-moralischen Naturkonstanten allgemeingültig und unhintergehbar sind, schon müssen wir das Luftschloss der letzten Sicherheit wieder einreißen. Gott erlaubt keine letzten Sicherheiten, er muss ein Spieler sein, ein Spekulant, - und Gott muss Nazis hassen, denn er mag keine Endlösungen. Gleich sehen wir, warum.

Der Gott der Bibel ist ein herrschsüchtiger, eifersüchtiger, eitler, machtgieriger, jähzornier und humorloser Mensch. Jeder kennt aus seinem Alltag solche Menschen, nur sind diese zu unserem Glück nicht allmächtig. Gott schon. Und nun sagt er: aus dir mache ich einen guten Menschen, und aus dir einen bösen Menschen, ihr - nicht etwa ich - seid aber dafür verantwortlich, obwohl ihr nicht anders handeln könnt, als nach dem, wozu ich euch allmächtigerweise bestimmt habe. Da können wir uns nur zurecht empören, und sogleich Atheisten werden, denn dieser Sadismus der absoluten Willkür bedeutet das Ende aller Moral, mindestens. Doch wir kennen ebenfalls aus dem Alltag etwas, das nach demselben Prinzip funktioniert: es fällt über uns herein, bestimmt unseren Willen, und dennoch sind wir höchstselbst dafür verantwortlich. Der Unterschied ist, dass wir diese absurde Ungerechtigkeit dankbar, gar euphorisch hinnehmen.

Die Liebe trifft einen wie der Blitz aus heiterm Himmel. Wir können nichts dafür, dass und in wen wir uns verlieben. Dennoch rechnen wir den Willen, der aus der Liebe entsteht, uns selbst zu, und können uns eher vorstellen, nicht mehr zu sein, als die geliebte Person nicht mehr zu lieben. Wenn wir etwas - oder jemanden als etwas, als eine Sache, sprich sexuell, - begehren, können wir sehr wohl die Begierde in Gedanken von der eigenen Person abtrennen, und der Lust auch praktisch widerstehen. Der Liebe zuwider zu handeln, wäre aber ein Verrat an der eigenen Person. Wir können nicht anders, als zu lieben, obwohl wir uns weder dass wir lieben noch wen wir lieben selbst ausgesucht haben. Erst wenn die Liebe zerbricht, beschweren wir uns, dass sie uns ohne unseren Willen traf.

Hier soll nun keineswegs ein Persilschein für irre und psychopathische Götter ausgestellt werden. Auch die vermeintliche Unzulänglichkeit der menschlichen Vernunft, Gott zu ergründen, wird hier nicht behauptet. Der Zweifel an der Möglichkeit eines universellen Systems von letzten Gründen kann aber niemals groß genug sein, denn das Universum, das absolut Ganze, ist kein Uhrwerk aus feststehenden absoluten Wahrheiten, - der Geist ist immer über das Letzte, Größte, Höchste hinaus. Es gibt weder eine Weltformel noch die reine Immanenz; unsere Welt ist kein geschlossenes System, - weil alle Realität in ihrem Wesen geistig ist, gibt es nichts, was nicht transzendiert werden könnte.