Montag, 4. September 2017

Der Körperkult




Nein, Unsinn wie Misswahlen seien sexistisch und Fitnessstudios was für Machos aus der Unterschicht, werde ich hier nicht schreiben. Idiotien wie dass Schönheit angeblich subjektiv ist, sind selbst in der Attraktivitätsforschung, einer sehr jungen Wissenschaft, bereits widerlegt worden. Es gibt schönere und hässlichere Menschen, das ist Tatsache. Ebenso Tatsache ist, dass der Körper nichts über die Seele aussagt, - und doch umso mehr, je materialistischer man diese auffasst. Wer an nichts Geistiges im Menschen glaubt, kann ja letztlich nur Fleischbeschau betreiben.

Was ist an Fleischausstellungen wie den äußerst populären Misswahlen denn so verweflich? Wir spüren doch intuitiv, dass es nicht richtig ist, wenn sich Menschen halbnackt der Öffentlichkeit präsentieren, um zur Miss World oder zum Mister Universum gewählt zu werden. Nicht der Wettbewerb ist daran das Verwerfliche, denn auch im Berufsleben, in Spiel und Sport und bei der Partnerwahl spielt der Wettbewerb eine entscheidende Rolle, und scheint somit eine biologische und soziale Naturkonstante zu sein. Das Falsche an Misswahlen ist die Reduktion der Person auf ihren Körper, und die damit einhergehende Verehrung des Fleisches.

Wohlgemerkt: des Fleisches, nicht des Körpers. Eine Verehrung der Körperlichkeit ist mitnichten verwerflich, sie ist vielmehr eine notwendige Voraussetzung aller Ästhetik und Sinnlichkeit. Wo ist der Unterschied? Goethe sagt über das Bewusstsein (Licht) der Formen der Sinnlichkeit (Raum und Zeit):

"Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht
Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht,
Und doch gelingt's ihm nicht, da es, so viel es strebt,
Verhaftet an den Körpern klebt.
Von Körpern strömt's, die Körper macht es schön,
Ein Körper hemmt's auf seinem Gange;
So, hoff ich, dauert es nicht lange,
Und mit den Körpern wird's zugrunde gehn".

Alles, was existiert, muss körperlich erscheinen, und wird an dieser unvollkommenen Erscheinungsform zugrunde gehen. Und doch hofft Mephisto, dem Goethe diese Worte in den Mund legt, vergebens, dass das Licht mit den Körpern zugrunde geht, denn das ästhetische Bewusstsein weiß die Körper als bloße Erscheinung zu betrachten. Das unästhetische Bewusstsein der sogenannten Schönheitswettbewerbe weiß das nicht, und verehrt die Erscheinung als solche, das nackte oder leicht bekleidete Fleisch. So wird bereits bloße Gesundheit als Schönheit verehrt, während die wahre Schönheit nicht geschätzt wird. Das edlere Auge sieht bei solchen unwürdigen Veranstaltungen keine schönen Menschen, sondern Stuten und Hengste, all das erinnert arg an die antiken und nicht so antiken Sklavenmärkte. 

Möge das Fleisch also ehrlich verrecken und in Frieden ruhen. Was ist aber mit dem Körper? Der Körper ist ein Träger geistiger Erscheinungsformen, eine Projektionsfläche des Geistes. Die menschliche Körperlichkeit dirimiert sich in zwei Geschlechter, von denen eines zurecht das schöne Geschlecht genannt wird, da die Vertreter dieses Geschlechts theoretisch und (selten) praktisch schön sein können. Eine Miss World erreicht auf der Pyramide der Schönheit die unterste, vierte Stufe, das ist die Stufe der bloßen Gesundheit, des makellosen menschlichen Körpers. Schauspielerinnen zeigen uns, wenn auch nur in Filmen, nicht in der Realität, die dritte Stufe, die verführerische Schönheit, die, um einen Fachbegriff zu benutzen, "sexy" genannt werden könnte. Da ist mehr als das bloße Fleisch: da sind Blicke, da ist eine anspruchsvolle Mimik, da ist mehr als ein bloß makelloser tierischer Organismus. Da ist Persönlichkeit, Individualität, da ist mehr als die bloße äußere Erscheinung. An der Verführerin lockt nicht das bloß Äußere, sondern eine Innerlichkeit, die sich hinter der Erscheinung zu verbergen scheint. An einer menschlichen Stute, die leicht bekleidet im Raum steht, und ihr bloßes Fleisch zeigt, ist hingegen nichts verführerisch.

Die zweithöchste Stufe auf der Pyramide der Schönheit nennen wir ruhig mal "beautiful", - dazu gehören Mädchen und Miezen (Mieze ist verklärend, nicht abwertend gemeint), die zu schön für Sex sind, - deren Körperlichkeit können wir nur noch als derart vergeistigt wahrnehmen, dass wir uns in sie romantisch verlieben. Die höchste Stufe, schönheitswissenschaftlich korrekt "divine" genannt, ist eine göttliche Schönheit, reiner Geist in körperlicher Gestalt. Die richtige Intuition sagt uns, dass es gar pervers ist, solche Mädchen (und sie sind aufgrund ihrer Unschuld auch im Erwachsenenalter noch Mädchen) sexuell zu begehren. Wer ein Mädchen der zweithöchsten Stufe verehrt, verklärt noch die Körperlichkeit (die Erscheinung als Erscheinung, nicht als das wahre Wesen), verunendlicht das Endliche, schaut den Geist als Erscheinung. Wer ein Mädchen der höchsten Stufe verehrt, schaut den Geist als Geist, und die pure, nicht durch Fleisch verschmutzte Schönheit als das, was sie ihrem Wesen nach ist: das Symbol des Guten, die Erscheinung der Göttlichkeit in Raum und Zeit.