Mittwoch, 29. Dezember 2021

Impffanatiker und Impfgegner

 

 

 

Leider bin ich nicht kompetent genug, um mit Sicherheit sagen zu können, ob Bedenken gegen die zur Zeit verfügbaren Corona-Impfstoffe gerechtfertigt sind. Alle "seriösen" Quellen tendieren dazu, Unbedenklichkeit zu attestieren. Alle "systemkritischen" Informationskanäle warnen vor Impfungen, und zwar mit bedenklicher Interdependenz zwischen antisystemischer (anti-staalicher, anti-gesellschaftlicher, anti-schulwissenschaftlicher) Haltung und Impfskepsis: so, als wäre es die moralische Pflicht der außerparlamentarischen Opposition bzw. jeden sich als systemkritisch verstehenden Menschen, automatisch auch Impfgegner zu sein.

Einige medizinisch kompenente Experten gehen so weit, sich Impfgegner im Gefängnis zu wünschen, weil sie durch ihr egoistisches und verantwortungsloses Verhalten andere Menschen gefährden. Doch weiter als einen Lockdown zu verhängen sollten meines Erachtens staatliche Maßnahmen nicht greifen; eine Impfpflicht, oder sogar ein Impfzwang, wäre eine Verletzung der Grundrechte. Hier sind es eher die Philosophen, die vor einem Ausufern der Staatsmacht warnen und eine Quasi-Gesundheitsdiktatur verhindern wollen.

Es sind schwer abzuwägende Entscheidungen. Was ist wichtiger, meine Freiheit oder die Gesundheit gefährdeter Personen? Wie weit würde eine Impfpflicht tatsächlich meine Freiheit einschränken? Würde ein jugendlicher, aufrichtig sich um seine Freiheit sorgender Mensch, die Güter anders abwägen, wenn sich seine Großmutter am Coronavirus ansteckt und schwer erkrankt, möglicherweise sogar stirbt?

Ich habe einen Master in Philosophie mit dem Schwerpunkt praktische Philosophie. Es geht um Ethik, Moralität, Sittlichkeit, und es war meine eigene Entscheidung, mit diesem Schwerpunkt zu studieren. Das heißt, ich war schon immer dazu geneigt, die Freiheit als einen höheren Wert gegenüber Fürsorge oder Solidarität zu betrachten. Doch ich bin nicht ideologisch verblendet, nicht derart radikal libertär, dass ich eine antisoziale Interpretation der Freiheit befürworten kann. Freiheit muss Rücksicht nehmen, im mindesten auf die Freiheit anderer. Aber diese gibt es nicht im Fall von durch Aerosole übertragbaren Viren. Wer sich mit einer sexuell übertragbaren Krankheit konfrontiert sieht, kann den Sexualakt mit dem ansteckenden Mitmenschen verweigern. In einer urbanen Gesellschaft bedeutet aber, Überträger des Coronavirus zu sein, anderen, zu denen man keinen persönlichen Kontakt hat, und die man nicht um ihre Zustimmung zum Risiko fragen kann, keine Wahl zu lassen, d. i. ihre Freiheit zu nehmen.

Es gibt Gründe dafür, von der Gefährlichkeit der Impfung überzeugt zu sein. Es gibt, wie ich es sehe, mehr Gründe dafür, sich impfen zu lassen. Doch als wissenschafts-optimistischer Mensch bin ich da zu wenig kritisch und verfüge über zu wenig wissen, um kategorisch die Impfpflicht befürworten zu können. Am schuldigsten macht sich, wer sich die Entscheidung leicht macht, wer sich unreflektiert aus politischer Überzeugung, privater Frustration, Gedankenlosigkeit oder Opportunismus für eine Impfung oder dagegen entscheidet.  

 

Montag, 27. Dezember 2021

Dunkeldeutschland rächt sich

 

 

 

In der Flüchtlingskrise 2015 hat die Regierung in Deutschland über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden. Dass alles letztlich gutgegangen ist, ist keine Entschuldigung, und damals war es nicht abzusehen. Die unkontrollierte Migration durch geöffnete Grenzen löste Ängste aus, die Regierung verweigerte sich ihrer ersten Pflicht, des Schutzes der Landesgrenzen.

Durch das Gefühl der Ohnmacht ist bei vielen ein Trauma geblieben. Besonders Bürger der ehemaligen DDR, die 25 Jahre später eine nicht mehr für möglich gehaltene Ohnmachtserfahrung gegenüber dem Staat gemacht haben, wurden nachhaltig radikalisiert und der AfD in die Arme getrieben. Und dann kam Corona.

Der einzelne Bürger kann sich nicht an der Landesgrenze hinstellen und illegalen Einwanderern den Zutritt verweigern. Er kann sich aber einer Impfung verweigern. Die Aufnahme der Flüchtlinge war an sich ein Zeichen der Humanität und globaler politischer Verantwortung, nur die Art der Umsetzung erschien den Bürgern einiger Aufnahmeländer wie Vergewaltigung. Was dem Bürger damals an Sicherheit und Kontrolle genommen wurde, fordert er jetzt zurück.

Die überwiegende Anzahl der Impfverweigerer sind keine Impfgegner. Es handelt sich vielmehr um übervorsichtige, ja übervorsichtig gewordene Menschen. Dann gibt es die Impfgegner, die ihre Freiheit bedroht sehen, weil der Staat bereits gezeigt hat, dass er ihre Sorgen und Bedenken nicht ernst nimmt, sondern durch Hetzkampagnen in den Staatsmedien z. B. Einwanderungsgegner pauschal diffamiert. Das Vertrauen gegenüber dem Staat ging bei vielen verloren.

Die radikalste Gruppe der Impfverweigerer, die Corona-Leugner, sind ein Phänomen der Postmoderne. Hier rächt sich die Blasen-, Bullshit- und Fake-News-Kultur. Als Alternative zur staatlichen Lügenpresse (die sich als solche bereits nach dem 11.9.2001 erwiesen hat) wurde eine eigene Lügenpresse aufgestellt, die den staatlichen Nachrichten "alternative Fakten" gegenüberstellt.

Dass Bürger nach schlechten Erfahrungen mit der Staatsmacht misstrauisch reagieren, ist ein gutes Zeichen für eine Demokratie. In einer Pandemiesituation wäre ironischerweise besser, wenn alle gehirngewaschene staatshörige Sklaven wären, denn so könnten alle rasch durchgeimpft werden und wären besser vor dem Virus geschützt.

Wer die Ursachen der gegenwärtigen Spaltung der Gesellschaft nicht erkennt, versteht nicht die politische Dimension der Coronakrise. Wie ein geistig verwirrter Hexenjäger sucht er nach Sündenböcken und wird von der Staatspropaganda darin auch unterstützt, denn den Schuldigen zu finden ist leichter, als ein komplexes und größtenteils selbstverschuldetes Problem zu lösen.