Donnerstag, 28. September 2017

Das Recht





Vielen Menschen ist die Vorstellung zuwider, dass es eine höchste Gerechtigkeit gibt. Diese Menschen gehören nach der zutreffenden Einsicht des großen Grundlinienzeichners der Rechtsphilosophie Georg Wilhelm Friedrich Hegel allesamt zum Pöbel - ob arm oder reich, ob unzivilisiert oder wohldressiert. Wer heute noch an das jüngste Gericht glaubt, wird für einen religiösen Fanatiker gehalten und nach seiner vermeintlichen Sektenzugehörigkeit gefragt. Dabei drückt der Glaube an die höchste Gerechtigkeit nur aus, dass die Welt als Ganzes rechtmäßig beschaffen sein soll. Für einen rechtschaffenen Menschen ziemt sich wahrlich keine andere Vorstellung, als dass es im Universum mit rechten Dingen zugeht.

Wer der göttlichen Gerechtigkeit misstraut, wurde anscheinend von Menschen ungerecht behandelt, und kennt das Recht nur als Ungerechtigkeit im rechtlichen Gewand. Es gibt nichts rechtswidigeres, als ungerechtes Recht, denn dieses führt die Idee des Rechts ad absurdum. Wer ungerechtes Recht spricht, parasitiert auf dem Rechtszustand, und zerstört ihn zugleich. Zum Pöbel gehört nach Hegels richtiger und gerechter Feststellung jeder, der sich außerhalb des Rechts setzt, - der arme Taschendieb genauso wie der reiche Steuerhinterzieher. Der Kriminelle handelt nun illegal und illegtitim, setzt sich somit außerhalb des Rechts, und wird von diesem zurecht verfolgt und bestraft. Der vom Prinzip her noch gefährlichere Verbrecher handelt illegitim, aber legal, benutzt das Recht, um Ungerechtigkeit geschehen zu lassen. Wer illegal, aber legitim handelt, ist ein Rebell.

Viele Menschen halten das bloße Dagegensein schon für Rebellion. Doch der Schlachtruf: "Legal, illegal, scheißegal!" zeichnet den Pöbel aus, während die Losung des wahren Rebellen "Illegal, aber legitim!" lautet. Der Rebell kämpft gegen die widerlichsten Schurken, nämlich gegen jene, die unter dem Schutz des Rechts Unrecht tun, die legal, aber illegtitim handeln. Der Rebell schützt den Geist des Gesetzes vor dem Missbrauch seines Buchstabens durch bösartige Menschen. Der Pöbel, zu dem die große mal schweigende mal laut schreiende Mehrheit gehört, ist nicht bösartig, sondern bloß tierisch.

Der Pöbel schert sich nicht darum, ob er moralisch richtig handelt, und damit den Geist des Gesetzes erfüllt. Der vom Recht geschützte bösartige Schurke weiß genau, dass er das moralisch Falsche tut, denn um vom Recht geschützt werden zu können, muss man zunächst wissen, welche unmoralische Handlung nicht illegal ist. Es ist ein wahrhaft versöhnlicher Gedanke, dass es nach dem Tod ein finales Gericht gibt, denn alles menschliche Recht ist unvollkommen, und lässt daher Ungerechtigkeit zu. Für einen vollkommenen Richter ist Illegitimes immer illegal, es gibt keine Schlupflöcher. Es gibt aber das große Loch der Ungewissheit, ob es diesen vollkommenen Richter tatsächlich gibt. Wenn nicht, so wird der rechtschaffene Mensch weiter das Richtige tun, und wenn nötig, als Rebell illegal aber legitim handeln, denn der Geist des Rechts ist derselbe Geist, von dem die Würde des Menschen ist.

Montag, 4. September 2017

Der Körperkult




Nein, Unsinn wie Misswahlen seien sexistisch und Fitnessstudios was für Machos aus der Unterschicht, werde ich hier nicht schreiben. Idiotien wie dass Schönheit angeblich subjektiv ist, sind selbst in der Attraktivitätsforschung, einer sehr jungen Wissenschaft, bereits widerlegt worden. Es gibt schönere und hässlichere Menschen, das ist Tatsache. Ebenso Tatsache ist, dass der Körper nichts über die Seele aussagt, - und doch umso mehr, je materialistischer man diese auffasst. Wer an nichts Geistiges im Menschen glaubt, kann ja letztlich nur Fleischbeschau betreiben.

Was ist an Fleischausstellungen wie den äußerst populären Misswahlen denn so verweflich? Wir spüren doch intuitiv, dass es nicht richtig ist, wenn sich Menschen halbnackt der Öffentlichkeit präsentieren, um zur Miss World oder zum Mister Universum gewählt zu werden. Nicht der Wettbewerb ist daran das Verwerfliche, denn auch im Berufsleben, in Spiel und Sport und bei der Partnerwahl spielt der Wettbewerb eine entscheidende Rolle, und scheint somit eine biologische und soziale Naturkonstante zu sein. Das Falsche an Misswahlen ist die Reduktion der Person auf ihren Körper, und die damit einhergehende Verehrung des Fleisches.

Wohlgemerkt: des Fleisches, nicht des Körpers. Eine Verehrung der Körperlichkeit ist mitnichten verwerflich, sie ist vielmehr eine notwendige Voraussetzung aller Ästhetik und Sinnlichkeit. Wo ist der Unterschied? Goethe sagt über das Bewusstsein (Licht) der Formen der Sinnlichkeit (Raum und Zeit):

"Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht
Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht,
Und doch gelingt's ihm nicht, da es, so viel es strebt,
Verhaftet an den Körpern klebt.
Von Körpern strömt's, die Körper macht es schön,
Ein Körper hemmt's auf seinem Gange;
So, hoff ich, dauert es nicht lange,
Und mit den Körpern wird's zugrunde gehn".

Alles, was existiert, muss körperlich erscheinen, und wird an dieser unvollkommenen Erscheinungsform zugrunde gehen. Und doch hofft Mephisto, dem Goethe diese Worte in den Mund legt, vergebens, dass das Licht mit den Körpern zugrunde geht, denn das ästhetische Bewusstsein weiß die Körper als bloße Erscheinung zu betrachten. Das unästhetische Bewusstsein der sogenannten Schönheitswettbewerbe weiß das nicht, und verehrt die Erscheinung als solche, das nackte oder leicht bekleidete Fleisch. So wird bereits bloße Gesundheit als Schönheit verehrt, während die wahre Schönheit nicht geschätzt wird. Das edlere Auge sieht bei solchen unwürdigen Veranstaltungen keine schönen Menschen, sondern Stuten und Hengste, all das erinnert arg an die antiken und nicht so antiken Sklavenmärkte. 

Möge das Fleisch also ehrlich verrecken und in Frieden ruhen. Was ist aber mit dem Körper? Der Körper ist ein Träger geistiger Erscheinungsformen, eine Projektionsfläche des Geistes. Die menschliche Körperlichkeit dirimiert sich in zwei Geschlechter, von denen eines zurecht das schöne Geschlecht genannt wird, da die Vertreter dieses Geschlechts theoretisch und (selten) praktisch schön sein können. Eine Miss World erreicht auf der Pyramide der Schönheit die unterste, vierte Stufe, das ist die Stufe der bloßen Gesundheit, des makellosen menschlichen Körpers. Schauspielerinnen zeigen uns, wenn auch nur in Filmen, nicht in der Realität, die dritte Stufe, die verführerische Schönheit, die, um einen Fachbegriff zu benutzen, "sexy" genannt werden könnte. Da ist mehr als das bloße Fleisch: da sind Blicke, da ist eine anspruchsvolle Mimik, da ist mehr als ein bloß makelloser tierischer Organismus. Da ist Persönlichkeit, Individualität, da ist mehr als die bloße äußere Erscheinung. An der Verführerin lockt nicht das bloß Äußere, sondern eine Innerlichkeit, die sich hinter der Erscheinung zu verbergen scheint. An einer menschlichen Stute, die leicht bekleidet im Raum steht, und ihr bloßes Fleisch zeigt, ist hingegen nichts verführerisch.

Die zweithöchste Stufe auf der Pyramide der Schönheit nennen wir ruhig mal "beautiful", - dazu gehören Mädchen und Miezen (Mieze ist verklärend, nicht abwertend gemeint), die zu schön für Sex sind, - deren Körperlichkeit können wir nur noch als derart vergeistigt wahrnehmen, dass wir uns in sie romantisch verlieben. Die höchste Stufe, schönheitswissenschaftlich korrekt "divine" genannt, ist eine göttliche Schönheit, reiner Geist in körperlicher Gestalt. Die richtige Intuition sagt uns, dass es gar pervers ist, solche Mädchen (und sie sind aufgrund ihrer Unschuld auch im Erwachsenenalter noch Mädchen) sexuell zu begehren. Wer ein Mädchen der zweithöchsten Stufe verehrt, verklärt noch die Körperlichkeit (die Erscheinung als Erscheinung, nicht als das wahre Wesen), verunendlicht das Endliche, schaut den Geist als Erscheinung. Wer ein Mädchen der höchsten Stufe verehrt, schaut den Geist als Geist, und die pure, nicht durch Fleisch verschmutzte Schönheit als das, was sie ihrem Wesen nach ist: das Symbol des Guten, die Erscheinung der Göttlichkeit in Raum und Zeit.