Donnerstag, 26. Januar 2017

Wir sind nicht gleich




Die Chancengleichheit ist ein weit verbreitetes Gerechtigkeitsideal. Wer für sie eintritt, geht von der grundsätzlichen Gleichheit aller Menschen aus. Von Natur sind doch alle gleich, oder? Nein. Jeder ist anders, da hilft kein gewaltsamer Schluss vom Sollen auf das Sein: die Natur hat uns alle verschieden gemacht, und die Umwelt verschärft noch die Ungleichheit der Startbedingungen. Kein künstlicher Ausgleich wird die Verschiedenheit der Menschen abschaffen, - künstliche Beseitigung von Ungleichheiten mündet in der sozialistischen Tyrannei der Ergebnisgerechtigkeit, die die Eigeninitiative ad absurdum führt und die Menschen geistig und moralisch lähmt.

In der Freiheit sind wir aber alle gleich, schließlich hat uns Gott alle gleich geschaffen! Wirklich? Man kann dieses Dogma zur Staatsverfassung machen, wahrer wird es dadurch nicht. In der Bibel findet sich der gemeine Spruch, Gott hätte wie ein Töpfer souverän entschieden, aus wem von uns er ein Gefäß für Reines, und aus wem ein Gefäß für Unreines macht. Ungerecht? Ja, und doch sind wir alle gleich: wir sind Töpfe aus dem gleichen Lehm. Ungleichheit wäre somit gottgewollt, ein willkürlicher Entschluss unseres Herrn, aber "eigentlich" sind wir doch gleich.

Was aber, wenn wir nicht gleich sind? Was, wenn die Ungleichheit nicht erst mit dem Eintritt in eine bestimmte Welt auftritt, sondern bereits in unseren unsterblichen Seelen manifestiert ist? Die Mystik weiß, dass die Seele ungeschaffen ist. Gott hat die Monade Seele nicht geschaffen, er hat sie nur geweckt. Nur weil wir in unserem Wesen ungeschaffen sind, sind wir moralisch frei. Das hat aber die Konsequenz, das wir grundsätzlich ungleich sind, noch vor unserer Geburt. Wir sind Gott ähnlich, wir sind den Tieren ähnlich, und wir sind einander ähnlich. Aber nicht gleich.