Donnerstag, 16. April 2015

Das Kitschighübsche





Blond und Hübsch ergeben gemeinsam Blöd beim naiven Volksempfinden. Doch diese Ausnahme bestätigt nur die Regel: schönen Menschen werden automatisch und instinktiv gute und bessere Eigenschaften zugeschrieben. Schönere Menschen gelten als intelligenter, sensibler, freundlicher, interessanter und gütiger. Grundgütiger? Die ersten vier Zuschreibungen lassen sich leicht damit erklären, dass schönere Menschen aufgrund ihres Ausehens einfach mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen, und wo man länger hinguckt, da interpretiert man mehr hinein. Aber wieso glauben wir, meist ohne zu wissen, dass wir es glauben, schönere Menschen seien auch bessere Menschen?

In der Kritik der Urteilskraft kommt Kant bei der Analytik des Schönen zum Schluss, dass das Schöne das Symbol des Guten ist. Das Gute kann nicht auf sinnliche Art gegenständlich werden, man sieht, riecht, hört, fühlt und schmeckt es nicht. An den guten Taten kann man das gute Herz eines Menschen zwar indirekt erkennen, aber auch nicht mit letzter Sicherheit, denn er kann auch aus tiefer Frömmigkeit verbunden mit Furcht vor Höllenpein gute Werke gewirkt haben. Oft fallen das sittlich Gebotene und eigener Vorteil sogar zusammen, umso mehr, je zivilisierter eine Gesellschaft ist. Gutes wird also auch getan, um an Ansehen zu gewinnen, um seine Eitelkeit zu befriedigen. Das ist wahrlich unschön.

Schön ist aber, dass es ein unmittelbar sinnliches Symbol des Guten gibt: das Schöne. Das Schöne ist wirklich, es ist da, es existiert, also ist das Gute - das um seiner selbst willen getane Gute - möglich. Der Künstler fängt bei der immateriellen Absicht an, ein schönes Kunstwerk zu erschaffen, und als Ergebnis sehen wir ein reales, sinnlich wahrnehmbares schönes Kunstwerk. Bloße Gedanken, die keine sinnliche Realität haben, können in der Sinnenwelt verwirklicht werden, - das beweist die schöne Kunst. So kann auch der Gedanke, andere Menschen immer als Selbstzwecke und niemals bloß als Mittel zum Zweck zu behandeln, durchaus im Alltag realisiert werden. Das Gute ist möglich, weil das Schöne wirklich ist.

Die sprichwörtliche Blondine ist nicht wirklich schön, sie tritt nur mit dem Anspruch auf, schön zu sein. Der Volksmund, der ihr Blödheit unterstellt, sagt, ohne es selbst zu wissen, dass er an ihren Schönheitsanspruch nicht glaubt, und sich deshalb weigert, ihr all die positiven Eigenschaften zuzuschreiben, die normalerweise schönen Menschen zugeschrieben werden. Das Schöne ist das Symbol des Sittlichguten; das Kitschighübsche ist nur eine Karikatur. Das Schöne ist der sinnliche Stellvertreter des Guten; das Hübsche steht für nichts, und das ist die metaphysische Essenz aller Blondinenwitze.

Dienstag, 14. April 2015

Das Nichts in Menschengestalt




Stell dir einen langweiligen Menschen vor. Ein Mensch, in dessen geistloser Gegenwart Minuten wie Stunden vorkommen. Stell dir vor, dieser Mensch ist auch noch dumm. Kein Vollidiot, aber einfach dumm. Er kann aus Büchern zitieren, überall sein "ja, aber" reinklatschen, versteht aber nicht die einfachsten Zusammenhänge. Stell dir vor, dieser Mensch ist moralisch ein Nichts, ein feiger Schurke, ein Opportunist, kurz: ein Arschloch. 

Es gibt - aus der Perspektive des Geistes auf das Leben geschaut - unzählige Abartigkeiten in der Natur, es gibt Hässlichkeit, Grausamkeit, Ekel. Ihre Wirklung auf das menschliche Gemüt kann so verheerend sein, dass sie die Furcht vor dem Tode in Todessehnsucht umwandeln. Können solcherlei Abartigkeiten noch entarten, so dass sie, anstatt den Unwert des Lebens zu zeigen, einen umso stärker an das Leben fesseln, je unerträglicher sie werden?

Zurück zu unserem langweiligen dummen Arschgesicht. Dieser Mensch hat ekelhafte Angewohnheiten, widerliche Charaktereigenschaften, ein furchtbares Benehmen. Es ist klar, dass wir einen solchen Mensch nur aus großer Barmherzigkeit in unserer Nähe dulden, und uns insgeheim oder offen wünschen, dass es ihn nicht gäbe. Stell dir nun vor, dass dieser Mensch jung, weiblich und wunderschön ist. 

Einerseits gibt es die unglückseligen Schlüsselreize, die dafür sorgen, dass einem selbst ein hässliches Kind noch niedlich vorkommt, und sich die Beschützerinstinkte regen. Der sexuelle Reiz kann jedes ästhetische Urteil korrumpieren, so dass die vulgäre Karikatur einer Frau mehr begehrt wird als ein wahrhaft schönes Frauenbild. Doch solange das ästhetische Empfinden auf der Seite der Vernunft ist, haben die Triebe kein leichtes Spiel. Aber was passiert, wenn wahre Schönheit zur Hülle einer erbärmlichen Figur wird, und diese Hülle so perfekt sitzt, dass der Betrachter sie mit dem Haufen Elend identifiziert? 

Stell dir einen angenehm ruhigen Menschen vor, den zu unterhalten stets eine Freude ist. Stell dir vor, dieser Mensch ist, nein nicht naiv, aber auch kein anstrengender Zyniker. Der Naivität widerspricht der Umstand, dass er gebildet ist, und zu jeder Aussage schlagfertig einen treffenden Einwand findet, ohne sich auf Spekulationen einzulassen. Er hat keinen Stock im Arsch, lässt sich nicht vorschreiben, was er zu tun hat, und macht was er will. Schau doch, wie sympathisch seine kleinen Macken ihn machen; er ist sehr menschlich, und manchmal richtig kindlich. Es ist ein Traum, einen solchen Menschen in seiner Nähe zu wissen, ach, ohne ihn wäre diese Welt eine karge Wüste! Wen kann da noch wundern, dass dieser wunderbare Mensch eine wunderschöne junge Frau ist?