Samstag, 19. September 2015
Bewusstsein und Logos
Das Schöne, Wahre und Gute bilden einen ontologischen Kreis und bedingen sich gegenseitig. Obgleich sie in ihrer Totalität als das Göttliche nicht voneinander zu trennen sind, sind sie im endlichen Sein getrennt, und zeigen sich dem Bewusstsein als drei eigenständige Potenzen.
Das rationale Bewusstsein (L3 - Logistik) lebt unter dem Primat des Wahren. L3 ist ein Skeptiker, weil ihm das Wahre nicht sicher ist, sondern erst zu beweisen. Die Mathematik ist seine Metaphysik, die Logik seine Religion (er befolgt stur und unreflektiert Gebote, deren Inhalt beliebig sein kann, solange sie sich nicht gegenseitig widersprechen).
Das transrationale Bewusstsein (L2 - Logik) lebt unter dem Primat des Guten (Kants Primat des Praktischen in der Philosophie). Die Logik ist als sichere Grundlage gegeben, die Moralität ist problematisch, und muss entdeckt und begründet werden. Die Religion ist auf dieser Bewusstseinsstufe romantisch-ästhetisch (Glückseligkeit als Folge der moralischen Pflichterfüllung).
Das vollkommene Bewusstsein (L1 - Logos) lebt unter dem Primat des Schönen. Logik und Moralität sind seine sichere Grundlage, Ästhetik sein weltanschauliches Paradigma. Insofern geht der Ästhetiker Nietzsche über die Ethiker Kant und Hegel hinaus, und zeigt, dass das antike Paradigma des Logos dem neuzeitlichen Paradigma der Logik überlegen ist.
Ein Bewusstsein, dessen sichere Grundlage das Schöne ist, ist das göttliche Bewusstsein, oder das Bewusstsein im paradiesischen Zustand der vollkommenen Glückseligkeit. Das prärationale Bewusstsein (L4 - Logem) kann nicht einmal das Wahre fassen, und lebt im Reich der Vorstellungen (weil es unfähig ist, Begriffe zu bilden). Die Abwesenheit des Schönen, Guten und Wahren im Bewusstsein ist die Verdammnis, die Gottesferne.
Montag, 25. Mai 2015
Ontologische Opferkunde
Logos. Das Opfer ist positiv-sakrifiziell, es wird mit Lust und Stolz (Eros und Thymos) gebracht. Die Mythen kennen solche Opfer nur noch aus vorchristlicher Zeit.
Logik (erste Ableitung des Logos). Das Opfer ist negativ-sakrifiziell, es wird leidvoll aber stolz dargeboten (mit Thymos, gegen den Eros). Das geläufigste Beispiel für die abendländische Zivilisation ist der Tod Jesu am Kreuz.
Logistik (zweite Ableitung des Logos). Das Opfer ist negativ-victim, es wird bei Vollzug als Unglück betrachtet, die bloße Bereitschaft ohne Vollzug wird Risiko genannt. Ein Arbeitsunfall ist ein solches unerotisches und stolzfernes Opfer.
Logem (dritte Ableitung des Logos). Das Opfer ist positiv-victim; der Opfernde riskiert und opfert nichts, sondern wird geopfert. Den Status als potenzielles Opfer schreibt er sich aber als Selbstwert zu (Erotik der Selbstwahrnehmung als Objekt).
Ein historisches Beispiel:
Während die Engländer bereits von der Logik zur Logistik fortgeschritten waren, entstand das neugegründete Deutsche Reich im Paradigma der Logik, und schloss aufgrund des höheren geistigen Paradigmas schnell zu den Engländern auf. Im Ersten Weltkrieg waren die Deutschen militärisch erfolgreicher als die Alliierten, weil sie aus einer geistig höheren Position kämpften (Herfried Münkler unterscheidet zwischen victimen und sakrifiziellen Opfern des Grabenkrieges - die deutschen Soldaten haben ihre militärische Pflicht eher sakrifiziell, die Alliierten eher victim erfüllt).
Deutschland wurde nicht militärisch, sondern logistisch besiegt (durch die logistische Übermacht der USA, die im letzten Kriegsjahr für eine erdrückende materielle Überlegenheit der Alliierten sorgten).
Der legendäre Dolchstoß wird von der Novemberrevolution nur symbolisiert, der eigentliche Dolchstoß gegen den Kampfgeist der Deutschen war die Zeitenwende, die das sakrifizielle Opfer der Deutschen revictimisierte. Während in England (und Frankreich) das Zeitalter der Logistik sich allmählich entwickelte, brach es nach dem Ersten Weltkrieg brachial über Deutschland herein, so dass die Entwicklung nach 1933 als romantische Reaktion gegen zu schnelle Dekadenz verstanden werden kann (eine einzige Generation kann den kompletten Übergang des Zeitgeistes von einer Stufe zur Nächsten nicht aushalten; in der Regel vollzieht sich eine solche Entwicklung über drei oder vier Generationen).
Donnerstag, 16. April 2015
Das Kitschighübsche
Blond und Hübsch ergeben gemeinsam Blöd beim naiven Volksempfinden. Doch diese Ausnahme bestätigt nur die Regel: schönen Menschen werden automatisch und instinktiv gute und bessere Eigenschaften zugeschrieben. Schönere Menschen gelten als intelligenter, sensibler, freundlicher, interessanter und gütiger. Grundgütiger? Die ersten vier Zuschreibungen lassen sich leicht damit erklären, dass schönere Menschen aufgrund ihres Ausehens einfach mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen, und wo man länger hinguckt, da interpretiert man mehr hinein. Aber wieso glauben wir, meist ohne zu wissen, dass wir es glauben, schönere Menschen seien auch bessere Menschen?
In der Kritik der Urteilskraft kommt Kant bei der Analytik des Schönen zum Schluss, dass das Schöne das Symbol des Guten ist. Das Gute kann nicht auf sinnliche Art gegenständlich werden, man sieht, riecht, hört, fühlt und schmeckt es nicht. An den guten Taten kann man das gute Herz eines Menschen zwar indirekt erkennen, aber auch nicht mit letzter Sicherheit, denn er kann auch aus tiefer Frömmigkeit verbunden mit Furcht vor Höllenpein gute Werke gewirkt haben. Oft fallen das sittlich Gebotene und eigener Vorteil sogar zusammen, umso mehr, je zivilisierter eine Gesellschaft ist. Gutes wird also auch getan, um an Ansehen zu gewinnen, um seine Eitelkeit zu befriedigen. Das ist wahrlich unschön.
Schön ist aber, dass es ein unmittelbar sinnliches Symbol des Guten gibt: das Schöne. Das Schöne ist wirklich, es ist da, es existiert, also ist das Gute - das um seiner selbst willen getane Gute - möglich. Der Künstler fängt bei der immateriellen Absicht an, ein schönes Kunstwerk zu erschaffen, und als Ergebnis sehen wir ein reales, sinnlich wahrnehmbares schönes Kunstwerk. Bloße Gedanken, die keine sinnliche Realität haben, können in der Sinnenwelt verwirklicht werden, - das beweist die schöne Kunst. So kann auch der Gedanke, andere Menschen immer als Selbstzwecke und niemals bloß als Mittel zum Zweck zu behandeln, durchaus im Alltag realisiert werden. Das Gute ist möglich, weil das Schöne wirklich ist.
Die sprichwörtliche Blondine ist nicht wirklich schön, sie tritt nur mit dem Anspruch auf, schön zu sein. Der Volksmund, der ihr Blödheit unterstellt, sagt, ohne es selbst zu wissen, dass er an ihren Schönheitsanspruch nicht glaubt, und sich deshalb weigert, ihr all die positiven Eigenschaften zuzuschreiben, die normalerweise schönen Menschen zugeschrieben werden. Das Schöne ist das Symbol des Sittlichguten; das Kitschighübsche ist nur eine Karikatur. Das Schöne ist der sinnliche Stellvertreter des Guten; das Hübsche steht für nichts, und das ist die metaphysische Essenz aller Blondinenwitze.
Dienstag, 14. April 2015
Das Nichts in Menschengestalt
Stell dir einen langweiligen Menschen vor. Ein Mensch, in dessen geistloser Gegenwart Minuten wie Stunden vorkommen. Stell dir vor, dieser Mensch ist auch noch dumm. Kein Vollidiot, aber einfach dumm. Er kann aus Büchern zitieren, überall sein "ja, aber" reinklatschen, versteht aber nicht die einfachsten Zusammenhänge. Stell dir vor, dieser Mensch ist moralisch ein Nichts, ein feiger Schurke, ein Opportunist, kurz: ein Arschloch.
Es gibt - aus der Perspektive des Geistes auf das Leben geschaut - unzählige Abartigkeiten in der Natur, es gibt Hässlichkeit, Grausamkeit, Ekel. Ihre Wirklung auf das menschliche Gemüt kann so verheerend sein, dass sie die Furcht vor dem Tode in Todessehnsucht umwandeln. Können solcherlei Abartigkeiten noch entarten, so dass sie, anstatt den Unwert des Lebens zu zeigen, einen umso stärker an das Leben fesseln, je unerträglicher sie werden?
Zurück zu unserem langweiligen dummen Arschgesicht. Dieser Mensch hat ekelhafte Angewohnheiten, widerliche Charaktereigenschaften, ein furchtbares Benehmen. Es ist klar, dass wir einen solchen Mensch nur aus großer Barmherzigkeit in unserer Nähe dulden, und uns insgeheim oder offen wünschen, dass es ihn nicht gäbe. Stell dir nun vor, dass dieser Mensch jung, weiblich und wunderschön ist.
Einerseits gibt es die unglückseligen Schlüsselreize, die dafür sorgen, dass einem selbst ein hässliches Kind noch niedlich vorkommt, und sich die Beschützerinstinkte regen. Der sexuelle Reiz kann jedes ästhetische Urteil korrumpieren, so dass die vulgäre Karikatur einer Frau mehr begehrt wird als ein wahrhaft schönes Frauenbild. Doch solange das ästhetische Empfinden auf der Seite der Vernunft ist, haben die Triebe kein leichtes Spiel. Aber was passiert, wenn wahre Schönheit zur Hülle einer erbärmlichen Figur wird, und diese Hülle so perfekt sitzt, dass der Betrachter sie mit dem Haufen Elend identifiziert?
Stell dir einen angenehm ruhigen Menschen vor, den zu unterhalten stets eine Freude ist. Stell dir vor, dieser Mensch ist, nein nicht naiv, aber auch kein anstrengender Zyniker. Der Naivität widerspricht der Umstand, dass er gebildet ist, und zu jeder Aussage schlagfertig einen treffenden Einwand findet, ohne sich auf Spekulationen einzulassen. Er hat keinen Stock im Arsch, lässt sich nicht vorschreiben, was er zu tun hat, und macht was er will. Schau doch, wie sympathisch seine kleinen Macken ihn machen; er ist sehr menschlich, und manchmal richtig kindlich. Es ist ein Traum, einen solchen Menschen in seiner Nähe zu wissen, ach, ohne ihn wäre diese Welt eine karge Wüste! Wen kann da noch wundern, dass dieser wunderbare Mensch eine wunderschöne junge Frau ist?
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